Friedrich Merz hat sich auf die Fahnen geschrieben, ein vor allem europäisch denkender und handelnder Bundeskanzler zu sein. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat der CDU-Vorsitzende klargemacht, dass er als neuer Regierungschef das Ansehen und Gewicht Deutschlands auf der Weltbühne verbessern möchte. Nun ist Merz aber ausgerechnet auf dem außenpolitischen Parkett ausgerutscht. Nach den ersten zwei Wochen im Amt fällt seine diesbezügliche Bilanz bislang eher durchwachsen aus. Beim Thema Ukraine hat sich Merz sogar eine blutige Nase geholt – mit der vollmundigen Ankündigung, die USA würden die europäischen Verbündeten bei ihrem Kurs unterstützen und Sanktionen gegen Russland verschärfen, sollte Wladimir Putin einem bedingungslosen Waffenstillstand von 30 Tagen nicht umgehend zustimmen. Nach einigen weiteren Telefonaten mit Trump muss nun auch Merz einsehen, dass er sich geirrt hat und Trump zu den Machtmenschen gehört, die ohne mit der Wimper zu zucken von einem auf den anderen Tag ihre Meinung ändern. Trump ist eben alles andere als berechenbar, so wie Merz es noch im Wahlkampf zu wissen glaubte. Eine 180-Grad-Kehrtwende gehört bei Trump zum politischen Geschäft – und in Russland scheint der US-Präsident in Zukunft vor allem wirtschaftliche Geschäfte machen zu wollen. Da stehen schärfere Sanktionen den Interessen amerikanischer Unternehmer eher im Weg. Somit steht Merz vor der schwierigen Frage, wie sich ein Primat der deutschen Außenpolitik, demzufolge die transatlantische Partnerschaft als unzerbrechlich gilt und vertieft werden muss, mit Trump aufrechterhalten lässt. Kann man überhaupt noch von Partnerschaft sprechen, wenn Vertrauen und Verlässlichkeit nicht mehr gegeben sind? Vertriebene Palästinenser transportieren ihre Habseligkeiten im Flüchtlingslager Jabaliya im Norden des Gazastreifens am Mittwoch, 21. Mai 2025. Foto: Ahmad Salem/Bloomberg Mit Israel und der Eskalation im Gazastreifen droht ein weiterer Pfeiler der deutschen Außenpolitik ins Wanken zu geraten. Aus historischen Gründen haben alle Kanzler bislang mantrahaft betont, Israels Sicherheit sei deutsche Staatsräson. Damit waren kritische Äußerungen über die israelische Regierung und das massive Vorgehen der israelischen Armee gegen Ziele im Gazastreifen de facto unmöglich. Aus Berlin kamen bislang höchstens mahnende Worte, Israel möge doch bitte das Völkerrecht einhalten bei seinem Feldzug gegen die Hamas-Terroristen im Gazastreifen. Natürlich steht auch Merz in dieser Tradition. Und dennoch wagte der Kanzler am Donnerstag während seines Besuchs in Litauen einen neuen Ton anzuschlagen: Die Bundesregierung sei "mehr als besorgt" über die Lage im Gazastreifen und die Intensivierung der militärischen Operationen der israelischen Armee. Es drohe dort "nun wirklich eine echte Hungersnot", weshalb Israel unverzüglich mehr Hilfslieferungen zulassen müsse. Vizekanzler Lars Klingbeil ging noch einen Schritt weiter und ließ über eine SPD-Sprecherin mitteilen, es müsse nun auch der politische Druck auf Israel verstärkt werden. Die Eskalation im Nahen Osten und die angedachte Umsiedlung aller Palästinenser aus dem Gazastreifen könnte Merz somit auch eine Neubestimmung des deutschen Verhältnisses zu Israel abverlangen. Lesen Sie auch eine Auswahl unserer Artikel dieser Woche: Neue KI-Geräte, Zukunftsgedanken, Chancen und Konflikte, Krypto-Bodyguards und Goodbye America. |